Das Dilemma Frankreichs Mütter

So einen Artikel hätte ich am liebsten selbst geschrieben. Margarete Moulin (« Liebe auf Distanz » DIE ZEIT Nr. 37/2013) räumt gehörig auf mit der Vorstellung, Frankreich sei das Paradies in Sachen Kinderbetreuung. Die Franzosen haben eine hohe Geburtenrate, schon klar. An den steuerlichen Vergünstigungen kann es aber nicht liegen, denn die werden erst ab drei oder mehr Kindern relevant. Für das erste Kind bekommt man nicht mal Kindergeld. Nein, der entscheidende Unterschied ist die soziale Akzeptanz. Die frühe Fremdbetreuung hat in Frankreich Tradition und macht es berufstätigen Müttern um einiges leichter. Frauen können Vollzeit arbeiten, ohne gleich als Rabenmutter abgestempelt zu werden. Das ist toll, keine Frage. Nur sollte man dabei nicht vergessen, welchen Preis das Ganze hat. Moulins Beispiele von Mamans mit Burn-Out-Syndrom und stotternden Kindern sind natürlich krass. Und wohl eher Ausnahmen. Aber grundsätzlich hat sie recht, wenn sie vom Mythos der « Superwoman » spricht.

Ich persönlich empfand es auch nicht unbedingt als reine Befreiung nach nur fünf Monaten (nach französischen Maßstäben würde man « erst » dazu sagen) mein Kind abzugeben. Natürlich wollte ich wieder arbeiten, trotzdem ist man hin und her gerissen zwischen Beruf und Muttergefühlen. In Frankreich gibt es kaum Alternativen, von Elternzeit kann man hier nur träumen. Das Kind kommt eben nach drei Monaten in die Crèche oder zur Nounou, c’est tout. Da gibt es keinen Platz für Sentimentalitäten, denn wer will schon zur langweiligen « femme au foyer » verkommen? Hausfrau will sich hier jedenfalls keiner schimpfen. Schließlich ist man Superwoman und hat es überall drauf. Auf dem Spielplatz, im Job, im Bett.

»Ich und alle meine Freundinnen sind Töchter solcher Supermütter«, sagt Maryline Jury. »Um die Fassade zu wahren, haben wir es so gemacht wie sie. Denn sonst sähe es so aus, als wären wir weniger befreit!«

Nichts wäre falscher, als zu glauben, dass Frauen wie Maryline Jury oder Cécile Robert ein Zurück an den Herd proklamierten. Sie alle lieben ihren Beruf. Aber das Korsett der Superwoman ist ihnen zu eng geworden, es schnürt sie ein. In Zukunft wollen sie selbst entscheiden, wie nah sie ihren Kindern sein dürfen und wann der richtige Moment gekommen ist, um sich von ihnen zu lösen.

(Aus dem Artikel « Liebe auf Distanz »)

Den Vorwurf, mit meiner Tochter zu « fusionnelle » also symbiotisch zu sein, wie Moulin das in ihrem Text beschreibt, kenne ich übrigens auch. Als sei das etwas Verwerfliches. Was bitte ist schlecht daran, möglichst viel Zeit mit seinen Kindern verbringen zu wollen? Ich bin doch nicht Mutter geworden, um mein Kind dann so schnell wie möglich loszuwerden.

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